Nach einem Gespräch mit Firmenvertretern möchten wir uns heute Thyssenkrupp widmen.
Das Geschäftsmodell von thyssenkrupp AG ist historisch gewachsen und daher vielschichtig mit Sparten wie Materials Services (weltweiter Werkstoffhändler für Stahl, Metalle, Kunststoffe), Industrial Components (Schmiedegeschäft) Automotive Technology, Marine Systems (Verteidigungstechnik), Decarbon Technologies (inkl. Nucera-Wasserstoff für „grüne“ Stahlproduktion) und Steel Europe.
Initiativen zur Risikoreduktion wie die versuchte Fusion mit Tata Steel Europe (2019) wurden politisch blockiert. Dies untersagte die Europäische Kommission mit dem Hinweis auf die angeblich zu hohe Marktkonzentration.
Immerhin gibt es mit HKM ist ein Gemeinschaftsunternehmen im Stahlbereich mit Salzgitter AG: und Vallourec Deutschland, welches durch diese Struktur in unprofitablen Zeiten weniger kostspielig für die Holding-Mutter ist.
Die strategische Neuausrichtung fokussiert auf Dekarbonisierung durch „grünen Stahl“ über Wasserstoff statt Koks (Thyssenkrupp nucera), den Teilverkauf des Stahlsegments an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky und der potenziellen teilweisen Abspaltung einzelner Segmente wie Marine Systems.
Es bleiben bis auf Weiteres der hohe Investitionsbedarf für die grüne Transformation und im Stahl ein volatiles und margenschwaches Geschäft, welches grundsätzlich politischer Unterstützung bedarf (z. B. Fördermittel oder CO₂-Grenzausgleich).
Der Aktienkurs hat im laufenden Jahr bereits den Turnaround geschafft, hauptsächlich durch die Phantasie im Verteidigungsbereich mit Marine Systems und der Erkenntnis der Marktteilnehmer, dass die Holding mittelfristig systematisch entlastet werden dürfte.
Letztlich bleibt Thyssenkrupp weiterhin eine von der Politik dominierte Geschichte inkl. Kartellrecht, Handelszöllen und geopolitischen Risiken, was alle Interessierten zur Vorsicht mahnen sollte. Aber die Geschwindigkeit und Konsequenz des aktuellen Vorstands gibt Anlass zur Hoffnung.
(Rainer Lemm, Assella GmbH). |